Faktencheck zur Unterbringung von Geflüchteten in Alfter

Am 07. Dezember 2023 wird der Rat unter Tagesordnungspunkt 16 „Bauvorhaben Kumpelsgarten“ über eine zentrale Unterkunft für Zufluchtssuchende im Kumpelsgarten in Witterschlick vorberaten. Die FDP-Fraktion informiert über die Fakten:

 

1. Wie viele Menschen hat Alfter bereits aufgenommen?

Derzeit werden der Gemeinde Alfter monatlich rund 25 Menschen durch die Bezirksregierung Arnsberg zugewiesen. Nach aktueller Information der Verwaltung wurden mit Stand vom 11.09.2023 473 Zufluchtssuchende in der Gemeinde Alfter aufgenommen.

Die Zuweisungen werden durch die Bezirksregierung Arnsberg in monatlichen Statistiken veröffentlicht. Die Statistiken unterscheiden sich nach aktueller Aufnahmeverpflichtung der Städte und Gemeinden gemäß § 12 a Aufenthaltsgesetz Verteilstatistik und Erfüllungsquoten | Bezirksregierung Arnsberg (nrw.de) sowie Zuweisung nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz NRW Zuweisung nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz | Bezirksregierung Arnsberg (nrw.de)

 

2. „Städte und Kommunen sind verpflichtet zugewiesene Zufluchtssuchende aufzunehmen“

Alle 396 Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen sind gemäß § 1 des Flüchtlingsaufnahmegesetz NRW zur Aufnahme von Zufluchtssuchenden verpflichtet:

§ 1 FlüAG NRW

(1) Die Gemeinden sind verpflichtet, ausländische Flüchtlinge im Sinne von § 2 aufzunehmen und unterzubringen.

Bei der Aufnahme und Unterbringung von Zufluchtssuchenden handelt es sich also um eine Pflichtaufgabe. Damit entscheidet der Rat der Gemeinde Alfter nicht darüber, ob Zufluchtssuchende in Alfter aufgenommen werden, sondern lediglich über die Frage wie die Menschen in der Gemeinde Alfter untergebracht werden.

 

3. „Warum soll in Witterschlick eine zentrale Unterkunft errichtet werden?“

Bisher sind Zufluchtssuchende in der Gemeinde Alfter dezentral untergebracht worden. Aufgrund der hohen Zuweisungszahlen von derzeit rund 25 Menschen im Monat mussten die dezentralen Unterkünfte allerdings bereits enger belegt werden. Trotz der engeren Belegung werden die bestehenden Aufnahmekapazitäten zu Beginn des neuen Jahres vollständig erschöpft sein. Mit den hohen Zuweisungszahlen steigt darüber hinaus die Arbeitsbelastung im Sozial- und Ordnungsamt, so dass das bisherige Konzept von möglichst dezentralen Unterbringungen an die Grenzen stößt. Mit Blick auf die Auswirkungen auf den Schulsport und die Vereine soll eine Belegung der Turnhallen weiterhin vermieden werden.

Bei der Standortprüfung hat die Verwaltung daher vorwiegend Flächen berücksichtigt an denen erforderliche Unterkünfte mit mindestens 200 Personen aufgrund der gebotenen Eile kurzfristig realisierbar wären. Weitere Kriterien waren eine gute Anbindung an den ÖPNV und die Nahversorgung sowie aufgrund der angespannten Haushaltslage Flächen, die nicht erst von der Gemeinde angekauft werden müssen.

Der Standort „Kumpelsgarten“ erfüllt alle von der Verwaltung betrachteten Auswahlkriterien. Die zentrale Unterkunft soll zwischen Witterschlick und Volmershoven errichtet werden, vgl. Auszug Bebauungsplan.docx zur Vorlage 11-1-360 (ratsinfomanagement.net). Die vorgesehene Fläche befindet sich im Eigentum der Wirtschaftsförderung Alfter GmbH und kann der Gemeinde Alfter über einen Pachtvertrag zur Verfügung gestellt werden. Weitere Details beispielsweise zum Pachtzins sind dem Rat derzeit nicht bekannt.

Es handelt sich ausdrücklich nicht um die für das Feuerwehrgerätehaus Witterschlick vorgesehenen Flächen. Der Haupt- und Finanzausschuss hat in seiner Sitzung am 28. November 2023 einstimmig die Dringlichkeitsentscheidung zur Vergabe von Planungsleistungen zum Neubau des Feuerwehrgerätehauses Witterschlick genehmigt Vorlage 11-2-53 (ratsinfomanagement.net).

Die Beschlussvorlage 11-1-360 lässt derzeit seitens der FDP-Fraktion noch einige Fragen offen:

 

4. „…die Gemeinde Alfter hat doch kein Geld…“

Die Unterbringung von Geflüchteten als Pflichtaufgabe stellt die Gemeinde Alfter wie auch viele andere Städte und Kommunen vor große finanzielle Herausforderungen, denn die Finanzierung der Landesregierung ist keineswegs auskömmlich. Aufgrund der angespannten Haushaltssituation hat die Verwaltung dem Rat für die kommende Ratssitzung am 07. Dezember 2023 folgenden Beschlussvorschlag unterbreitet, vorgesehen ist lediglich eine Vorberatung des Beschlussvorschlags, jedoch kein finaler Beschluss:

„Der Rat beschließt,

  1. die erhöhte Dringlichkeit bei der Unterbringung von Zuflucht Suchenden in der Gemeinde Alfter zur Kenntnis zu nehmen;

 

  1. dem Vorschlag der Verwaltung zur Vorbereitung der Errichtung einer Unterkunft auf den Flächen der WFA im Kumpelsgarten, Witterschlick, zuzustimmen;

 

  1. die Verwaltung zu beauftragen, mit der WFA einen Pachtvertrag zu den notwendigen Flächen abzuschließen;

 

  1. - (Variante A) der Vorlagenplanung für die Unterbringung von ca. 240 Menschen zuzustimmen,

         - (Variante B) der Vorlagenplanung für die Einrichtung einer Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) der Bezirksregierung Köln für ca. 328                Menschen zuzustimmen,

         - Variante B zu favorisieren und die Verwaltung zu beauftragen, eine schnelle Einigung mit der Bezirksregierung zu erzielen,

         - für den Fall, dass Variante B nicht realisiert werden kann, die Verwaltung zu beauftragen, Variante A auszuführen, sowie die notwendigen                     Vergabeverfahren für Planungsleistungen, Bauleistungen, Sicherheitsdienstleistungen und Sozialdienstleistungen durchzuführen.

  1. die Verwaltung zu beauftragen, im Sinne der vom Rat einstimmig beschlossenen Alfterer Erklärung „Für Respekt, Akzeptanz und Toleranz in Alfter“ vom 28.04.2015 eine Bürgerversammlung am 13.12.2023, 18 Uhr zur Information über das Vorhaben durchzuführen.“

 

Die Variante A sieht vor eine Containerlösung für ca. 240 Menschen zu errichten. Für den Kauf der Containerlösung liegt der Verwaltung ein Angebot über 6.247.500 € brutto vor. Für eine Anmietung müssten jährliche Mietkosten inkl. Nebenkosten in der Höhe 2.041.920 € aufgebracht werden. Ein Kostenvergleich hat ergeben, dass ab einer Nutzungsdauer von drei Jahren ein Kauf wirtschaftlicher ist als eine Anmietung. Bei dieser Variante trägt die Gemeinde Alfter sowohl die Bau- wie auch Betriebskosten.

Die Variante B sieht vor eine Zentrale Unterbringungseinheit (ZUE) des Landes für 328 Menschen zu errichten. In diesem Fall würde die Gemeinde die Bauleistungen erbringen, die überschlägigen Baukosten betragen 8.925 Mio. € brutto. Die Bezirksregierung Köln würde das Gelände mit der Anlage anmieten und voraussichtlich für die gesamten Betriebskosten aufkommen. Hierfür ist eine Kooperationsvereinbarung erforderlich, die genauen Modalitäten sind dem Rat bislang nicht bekannt.

Favorisiert werden soll demnach die für die Gemeinde Alfter augenscheinlich wirtschaftlichere Variante B, vgl. Beschlussvorlage 1-1-360 vom 27.11.2023 Vorlage 11-1-360 (ratsinfomanagement.net)

 

Darüber hinaus ist weiterhin nicht erkennbar, dass den Kommunen zusätzliche Finanzmittel bereitgestellt werden und damit eine auskömmliche Finanzierung aller von der Landesregierung übertragenen Pflichtaufgaben erfolgt. Vor diesem Hintergrund hat der Rat der Gemeinde Alfter in seiner Sitzung am 21. September 2023 die Verwaltung einstimmig beauftragt, wenn möglich mit geeigneten Bündnispartnern, die Erfolgsaussichten auf eine Klage gegen die fortwährenden Verstöße gegen das Konnexitätsprinzip zu prüfen. Nach derzeitigem Kenntnisstand wurde die Prüfung einer solchen Klage bislang nicht durchgeführt.

 

5. …die Bürgerinnen und Bürger werden vor vollendete Tatsachen gestellt…“

Über die erhöhte Zuweisung von Zufluchtssuchenden und die damit einhergehende Erforderlichkeit zusätzlicher Unterbringungskapazitäten wurde der Rat der Gemeinde Alfter erstmals im nichtöffentlichen Teil der Ratssitzung am 24. Oktober 2023 informiert. Über die Möglichkeit eine Zentrale Unterbringungseinheit des Landes NRW am Standort Kumpelsgarten zu errichten, wurden die Ratsmitglieder ebenfalls nichtöffentlich am 17. November in einer Videokonferenz unterrichtet. Gemäß § 30 Abs. 1 GO NRW unterliegen alle Ratsmitglieder der gesetzlichen Verschwiegenheitsverpflichtung, sodass eine öffentliche Berichterstattung untersagt war.

Am 27. November wurden die Unterlagen im Ratsinformationssystem eingestellt und damit für die Ratsmitglieder und alle Bürgerinnen und Bürger öffentlich zugänglich gemacht. Mit Meldung vom 28. November unterrichtet die Verwaltung erstmals auf der Homepage der Gemeinde Alfter über eine Bürgerinformationsveranstaltung zu neuen Flüchtlingsunterkünften am Mittwoch, dem 13. Dezember 2023 um 18 Uhr im Ratssaal im Rathaus Alfter. Die Presse berichtete ebenfalls am 28. November.

Ein Beschluss ohne die Bürgerinnen und Bürger vorab zu informieren ist politisch nicht vertretbar und daher auch nicht für den 07. Dezember vorgesehen. Der Tagesordnungspunkt 16 „Bauvorhaben Kumpelsgarten“ wird lediglich zum ersten Mal öffentlich vorberaten, die Beschlussfassung soll voraussichtlich in einer weiteren Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses oder des Rates am 19. Dezember erfolgen. Lediglich über diese Fragestellung wird in der kommenden Ratssitzung ein Beschluss gefasst werden.

Am 13. Dezember 2023 wird die Verwaltung unter Beteiligung der zuständigen Behörden die aktuellen Pläne und neue Standorte zur Unterbringung von Geflüchteten vorstellen und für Fragen zum Planungsstand zur Verfügung stehen. Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Alfter sind dazu eingeladen, Anregungen zu den Plänen zu geben sowie ihre Bedenken und Sorgen mitzuteilen. Die Verwaltung bittet um eine Voranmeldung zur Veranstaltung unter Bürgerinformationsveranstaltung zu neuen Flüchtlingsunterkünften am 13. Dezember 2023 | Beteiligung NRW Gemeinde Alfter

Bürgerbeteiligungsverfahren, um über die Aufnahme von Zufluchtssuchenden zu entscheiden sind hingegen nicht möglich. Das Asylrecht ist im Grundgesetz verankert und die Unterbringung von Zufluchtssuchenden ist eine Pflichtaufgabe der Kommunen. Gleichwohl halten wir transparente Information der Bürgerinnen und Bürger für zwingend erforderlich und möchten mit diesem Faktencheck dazu beitragen. Grundsätzlich kommt diese Aufgabe dem Bürgermeister der Gemeinde Alfter zu.